Wie ist die aktuelle Behandlungsstartegie bei Werferschultern?
Ob es um einen Wurf oder die Ausholbewegung beim Tennis oder Schwimmen geht, wenden wir starke Kräfte in einer endgradigen Armpositon an, setzen wir die anatomischen Strukturen de Schultergelenkes hohen Belastungen aus. Eine Belastung die bei Leistungs-, aber auch Hobbysportlern regelmäßig und meist über mehrere Jahre besteht. Eine physiotherapeutische Behandlung bleibt eine Herausforderung, da die einseitige Belastung auch nach Auftreten der ersten Beschwerden, vom Sportler meist nicht vermieden wird. Strukturelle Veränderung sind beim Auftreten dieser Beschwerden, meist längst endstanden. Welche Veränderungen im Gelenk sind nötige Anpassung für einen Sportler, welche bereits pathologische Veränderungen? Wie können die immer wieder wiedererholten extremen Belastungen wenn nicht vermieden, kompensiert werden? Der folgende Artikel gibt eine Übersicht über Behandlungsmethoden, aktuelle Evidenz und Grenzen der physiotherapeutischen Möglichkeiten.
Was bedeutet ein Wurf für das Schultergelenk?
Natürlich gibt es in jeder Wurfsportart verschiedene Bewegungsabläufe und koordinative Aufgaben für den Sportler, die schließlich zur Ausführung eines Wurfes führen. Ihnen allen gemeinsam ist eine endgradige Position im Schultergelenk mit maximaler Beschleunigung und langer Abbremsphase. Die meisten Studien zum Thema Werferschulter wurden mit Baseballern durchgeführt. Diese Art des Werfens ist am besten untersucht und analysiert. Im Baseball bedeutet die endgradige Ausholphase eine maximale Außenrotation und Abduktion. Allgemein benötigt die Ausführung eines Wurfes immer gute Beweglichkeit in eine Außenrotation im Schultergelenk und dabei eine dynamische Stabilisation beim Aufbringen von Hohen Kräften (1). Bei einem Wurf erreicht ein Sportler bis zu 120% seiner isometrischen Maximalkraft (2), was in der Dynamik eine hohe Stabilisationsfähigkeit zur Zentrierung des Schultergelenkes verlangt. Es entstehen bei vielen Sportlern im Bereich der Wurfsportarten Beschwerden, die mit Bewegungseinschränkungen in die Innenrotation (GIRD), sowie Defizite in der aktiven Stabilisierungsfähigkeit von Schultergelenk, Schulterblatt und Rumpf einhergehen. Bei einem GIRD kommt es nicht zu einer Verminderung der gesamt Beweglichkeit sondern einer Verschiebung des ROM in Richtung Außenrotation(3,4). Die für die Ausholbewegung nötige große Außenrotation geht somit mit einer Einschränkung der Innenrotaionsfähigkeit einher. Bei Elite-Tennisspielern konnte das vermehrte Auftreten von Innentotationsdefiziten, bei gleichbleibende gesamt Beweglichkeit und mit zunehmendem Alter steigend, nachgewiesen werden(5). Diese Defizite führen zunächst zu Beschwerden direkt nach Wurfbelastungen und schließlich können irreversible Strukturschäden im Bereich des Schultergelenkkomplexes entstehen.
Anatomische Adaptationen
Die anatomischen Strukturen des Schultergelenkes passen sich an die immer wieder gleiche Belastung des Werfens an. So kommt es durch wiederholte endgradige Bewegung in Abduktion/Außenrotation mit hohen Kräften zu einer Elongation der anterior-inferioren Kapsel. Der Humeruskopf ist somit nach anterior und inferior passiv schlechter stabilisiert, was die Verletzungsgefahr und Verschleißentwicklung verstärken kann. Die hohe Belastung in der Abbremsphase eines Wurfes hat hingegen eine Hypertrophie im Bereich der posterior-inferioren Kapsel zur Folge. Der Elastizitätsverlust bedeutet Bewegungseinschränkungen in Innenrotation.
Um einen Wurf möglichst effektiv durchführen zu können brauch ein Werfer eine große Außenrotationsfähigkeit. Können wir bei einer solchen für den Sportler wichtigen Anpassungsrektion direkt von einer Pathologie sprechen? Wichtig ist natürlich wie immer die idividuelle Konstitution eines Patienten. Versucht man eine Grenze für Pathologie oder physiologische Anpassung zu finden, ergeben sich ein IRO-Defizit von mehr als 18-25° im Vergleich zur anderen Seite als Risikofaktor für Beschwerden(7,8).
Bei einem Wurf wird außerdem wiederholt die Kraft der Innenrotatoren genutzt was zu einem Ungleichgewicht der Kräfte der Rotatorenmanschette führt. Neben den Weichteilstrukturen gibt es außerdem knöcherne Veränderungen und Anpassungen der Skapulaposition, die eine Stabilisierung des Schultergelenkes erschweren und Beschwerden begünstigen können.( tabelle1)
Tabelle1- Adaptative Anpassungen bei Werferschultern:
Knöcherne Adaptation (untersucht an professionellen Baseballspielern) (3) | Weichteil Adaptionen
(4,5) |
Adaptionen der Skapula (6) |
Zunahme der Humeruskopf-Retrotorsion & Glenoid | Elongation der anterior-inferioren Kapsel bei ARO & Abduktion | Veränderung der Skapulaposition:
|
Hypertrophie & Kontraktur der posterior-inferioren Kapsel
→ Innenrotationsdefizit → Muskuläre Dysbalance der Rotatorenmanschette (IRO-Kraft > ARO-Kraft) |
Therapieansätze
Grundsätzlich macht die Komplexität einer Wurfausführung, die Therapie eines Wurfsportlers sehr vielseitig. Gleichgewicht, Rumpfstabilität und Koordination spielen hierbei neben der Behandlung des Schultergelenkes selbst eine entscheidende Rolle. Aus den oben aufgeführten Veränderungen ergeben sich außerdem verschiedene Therapieansätze, die zur Prävention, aber auch Behandlung der oben genannten Veränderungen genutzt werden können.
Mobilisierung dorsale Kapsel:
Es konnte bereits nachgewiesen werden, dass es einen Zusammenhang zwischen einem Impingement im Schultergelenk und einem Innenrotationsdefizit oder einer festen hinter Kapsel des Schultergelenkes gibt (9). Die Spannungen auf der hinteren Kapsel kann den Druck zwischen Schulterkopf und Glenoid während er Armhebung erhöhen, und so eine Enge im Gelenk und Kompression, der dort gelegenen Strukturen provozieren(10).
Ein Unterschied im Seitenvergleich von 18°-25° in Innenrotation verstärkt das Risiko enstehender Beschwerden (7,8) und sollte somit behandelt werden. Gemessen wird hierbei in Rückenlage in 90° Abduktionsstellung.
Es gibt natürlich verschiedene Methoden die dorsale Kapsel manuell zu dehnen. Die manuelle Dehnung durch einen Therapeuten zeigte bei gleicher Dosierung ähnliche Verbesserungen der innenrotaiton im Vergleich zu der Eigendehnung mit dem Sleeper Strech(11). Um eine gewissen Frequenz und Dauer der Dehnung zu erreichen ist es sinnvoll den Patienten Eigendehnungen mit zu geben. Gänging sind hierbei der Sleeper strech und der crossbody strech. Zwei der gängigsten Dehnungsmethoden zur Behandlung von GIRD sind der Sleeper Stretch und der Cross Body Stretch.
Modifizierte Sleeper Strech:
Das Schulterblatt wird in Seitenlage über das Körpergewicht in Seitenlage fixiert. Bei gebeugtem Ellenbogen fungiert der Unterarm als Hebel für eine Dehnung in Innenrotation.
Modifizierter Crossbody Strech:
In der gleichen Augangsstellung wie für den Sleeper Strech beschrieben wird der Arm Richtung Brustkorb in transversale Adduktion und Innenrotation geführt.
Beide Übungen Dehnen die hintere Kapsel. Es sollte kein Kompressionsschmerz im vorderen Bereich entstehen, sondern eher ein leichter Zug im Bereich der Rückseite der Schulter. Um dies zu erzielen, muss die Ausgangsstellung so angepasst werden, dass der Patient dieses Dehnungsgefühl angibt.
Skapulakontorolle – Läuft sie richtig?
Skapuladyskinese ist eine schwierig objektiv zu beurteilende Diagnose, die auch idividuelle, konstitutionelle Ursachen haben kann. Eine Möglichkeit der Entscheidung wie stark die Beteiligung der Skaupla an einer Symptomatik ist, ist der Skapulaassistenztest. Durch Unterstüzung der Skaupulabewegung nach caranial-lateral ber Armhebung kann Aufschluss auf deren Beteiligung eines Funktionellen Problemes geben.
Das zusätzliche Durchführen von Schulterblattstabilisierenden Übungen zeigte einen Vorteil zur reinen Eigendehnung der Innenrotation (12).
Haltung-Rumpf – Untereextremität
Die Hälfte der Energie eines Wurfes resultiert aus Rumpf und unterer Extremität generiert (13,14). Der Bewegungsablauf des Sportlers bei einem Wurf, muss somit auch unter Haltungs- und Bewegungsaspekten in den angrenzenden Gelenken Beurteilt werden. Weiterhin gibt es Nachweise für einen Zusammenhang zwischen Gleichgewichtsdefiziten und Schulterbeschwerden (15).
Kräftigung der Rotatorenmanschette
Vermutlich die verbreiteste und anerkannteste Therapie bei Schulterbeschwerden, die auf fehlende Stabilität oder Cranialisierung des Humeruskopfes zurückzuführen sind. Beim Wurfsportler sollte das Gleichgewicht zwischen Innenrotation und Außenrotation wiederhergestellt verbessert werden. Durch Anpassung der Ausgangstellung kann der Anspruch an den Sportler gesteigert werden.
Die Therapie sollte in Phasen eingesteilt und systematisch gesteigert werden
Tabelle 1 – Therapie bei Werferschulter (1)
Phase | Ziele | Übungen und Möglichkeiten | |
Phase 1
– Akutphase |
Reduzierung der Entzündung; korrekte posturale Anpassungen; Normalisierung der Bewegung; Wiederherstellen der Propriozeption; Aufhalten der Atrophie; Wiederherstellen der Grundlage für dynamische Stabilität |
Kryotherapie; Iontophorese; Laser; elektrische Stimulation; Kräftigung und Mobilisierung: Mobilisierung von Innenrotation und transversale Adduktion; Kräftigung der Rotatorenmanschette und der Schulterblattmuskulatur; Übungen zur dynamischen Stabilisation; Stimulation der Propriozeption; Wurfpause | |
Phase 2
– Intermediäre Phase |
Steigerung des Kräftigungsprogrammes; | Rumpf und unterer Extremität | |
Phase 3
– Fortgeschrittene Kräftigungsphase |
Intensive Kräftigung; Entwicklung der neuromuskulären Kontrolle; Verbesserung von Kraft, Leistung und Ausdauer; Beginn mit Wurftraining | Mobilisierung und Dehnung; gleichmäßige Stabilisierungsübungen; Beginn mit Schnellkarfttraining; Beginn mit Ausdauertraining; leichte Würfe | |
Phase 4
– Zurück zum Werfen |
Steigerung der Wurfübungen; Rückkehr zu Wettkampfwürfen; Fortführen von Kräftigungs- und Dehnungsübungen | Fortfahren mit Kräftigungs- und Mobilisierungsübungen; Wurftraining |
Fazit:
Eine dauerhafte Belastung der Schulter durch Überkopfsportarten führt zu anatomischen Veränderungen die nur teilweise beeinflusst werden können. Sinnvoll ist eine Prävention und prophylaktisches Ergenzungstraining. Hat die Belastung bereits Strukturschäden hintererlassen oder kommen Schäden wie Slap- oder Pulleyläsionen hinzu, kommt die konservative Therapie an ihre Grenzen.
Autoren
Nina Lorenz (SRH Karlsruhe) und Tobias Baierle Physiotherapie Baierle
Literatur
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